Haus mit zwei Flaggen

Auf dieser Fotoplatte kann man ein großes Haus sehen, vor dessen Fassade sauber geschnittene Bäumchen stehen. Im Eingangsbereich rankt sich eine Kletterpflanze einen Pfosten hoch, während rechts im Bild ein abgestelltes Motorrad steht. Vielleicht handelt es sich bei dem Gebäude um eine Herberge oder ein Hotel, aber leider fehlt jede Form von Beschriftung oder ein anderer Hinweis darauf, was es mit dem Gebäude auf sich hat.

Das interessanteste Detail kann man an den beiden Fahnenmasten sehen, die auf dem ausladenden Balkon des Hauses stehen. An einem kann deutlich eine Hakenkreuzflagge erkennen -- folglich wurde die Szene zur Zeit des Dritten Reichs aufgenommen, wo ein solches Hissen von Hausfahnen gerade an Nationalfeiertagen nicht unüblich war (und ein Unterbleiben oft vom Blockwart notiert wurde). Die zweite Fahne ist aufgrund der schwarz-weißen Abbildung schwieriger zu erkennen, es scheint sich im eine zwei- oder dreifarbige Fahne zu handeln, die einen hellen mittleren Streifen hat. Denkbar und für mich am wahrscheinlichsten ist, daß es sich hier um die österreichische Nationalflagge handelt.

Sollte dies zutreffen, ist gerade die Kombination mit der nazionalsozialistischen Reichsflagge ein ein guter Hinweis darauf, wann dieses Bild und vermutlich die meisten anderen des Pakets entstanden sind. In Österreich war die Nazifahne bis 1936 verboten, und auch danach war sie sicherlich eine ungewöhnliche Häuserdekoration. Jedoch um den Anschluß Österreichs im März 1938 herum war die Hakenkreuzfahne aufgrund der notwendigen Propagandabemühungen sicherlich sehr präsent -- gerade in Verbindung mit der österreichischen Nationalflagge. Zu einem späteren Zeitpunkt wäre es dagegen eher atypisch, wenn wieder die alte Flagge des unabhängigen Österreichs so offen gezeigt würde (es war ja schließlich als Ostmark im Deutschen Reich aufgegangen). Sollte diese Hypothese stimmen, sind die Glasnegative dieser Galerie wenigstens zum Teil in Österreich im Jahr 1938 aufgenommen worden. Die Motive der anderen Fotoplatten scheinen diese Überlegung zumindestens nicht zu widerlegen.

Die Negativplatte hat zwar einige Kratzer und andere leichte Lageruzngsspuren, ist aber ansonsten in einem zufriedenstellendem Zustand. Die technische Realisierung ist ebenfalls okay, die Belichtung stimmt und die Schärfe ist so gut, wie es das einfache Objektiv leisten konnte.